Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten
psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter und betrifft etwa 5–10 % aller Kinder.
Lange Zeit ging man davon aus, dass sich die Symptome mit dem Erwachsenenalter verlieren.
Heute wissen wir, dass dies nicht der Fall ist: Bei etwa 30 % der Betroffenen bleibt das
Vollbild der Störung bestehen, während bis zu 60 % weiterhin unter einzelnen Symptomen
leiden.
Dennoch wird ADHS im Erwachsenenalter häufig übersehen oder erst spät diagnostiziert. Ein
Grund hierfür ist, dass sich die Symptome mit der Zeit verändern und weniger offensichtlich
sind als in der Kindheit. Zudem treten bei Erwachsenen mit ADHS oft weitere psychische
Störungen auf – sogenannte Komorbiditäten –, die die Diagnose zusätzlich erschweren
können. Dazu gehören insbesondere:
Depressionen und Angsterkrankungen
Suchterkrankungen (Alkohol, Drogen oder nicht-substanzgebundene Süchte)
Persönlichkeitsstörungen, insbesondere die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung
Bipolare Störungen
ADHS ist nicht nur eine Konzentrationsstörung, sondern kann tiefgreifende Auswirkungen
auf das gesamte Leben haben. Unbehandelt führt sie oft zu Schwierigkeiten in Ausbildung
und Beruf, instabilen sozialen Beziehungen und einem erhöhten Risiko für emotionale oder
psychische Belastungen. Umso wichtiger ist eine fundierte Diagnostik, die ADHS als
mögliche Ursache für anhaltende Beschwerden berücksichtigt.
ADHS ist eine neurobiologisch bedingte Störung, bei der die Botenstoffe Dopamin und
Noradrenalin im Gehirn nicht optimal reguliert werden. Diese Dysbalance führt dazu, dass
Betroffene Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit zu steuern, Impulse zu kontrollieren
und Reize zu filtern. ADHS hat eine starke genetische Komponente, wird aber auch durch
Umweltfaktoren beeinflusst.
Die Hauptmerkmale von ADHS sind:
Aufmerksamkeitsprobleme: Schwierigkeiten, sich auf Aufgaben zu konzentrieren,
Ablenkbarkeit
Impulsivität: Überstürztes Handeln, geringe Frustrationstoleranz
Hyperaktivität oder innere Unruhe: Rastlosigkeit, Schwierigkeiten, zur Ruhe zu kommen
Bei Erwachsenen tritt die Hyperaktivität oft nicht mehr in körperlicher Unruhe auf,
sondern äußert sich als anhaltendes Gefühl innerer Getriebenheit. Gleichzeitig entwickeln
viele Betroffene im Laufe der Zeit Strategien, um ihre Defizite zu kompensieren, was die
Erkennung zusätzlich erschwert.
Die Symptome der ADHS können sich im Erwachsenenalter in vielfältiger Weise äußern.
Häufige Beschwerden sind:
Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme
Schwierigkeiten, Aufgaben zu beginnen oder abzuschließen (Prokrastination)
Mangelnde Struktur im Alltag, Desorganisation
Stimmungsschwankungen und geringes Selbstwertgefühl
Emotionale Impulsivität, starke Reizbarkeit
Probleme mit langfristiger Planung und Zeitmanagement
Schwierigkeiten, soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten
Ein besonderes Merkmal von ADHS ist, dass die Symptome oft situationsabhängig
variieren. Betroffene können sich manchmal hervorragend auf bestimmte Aufgaben
konzentrieren (sogenannte Hyperfokussierung), während andere Tätigkeiten kaum bewältigt
werden können.
Viele Erwachsene mit ADHS haben gelernt, mit ihren Problemen umzugehen oder sie zu
kaschieren. Zudem steht die Diagnose oft im Schatten anderer psychischer Erkrankungen:
Depressionen und Ängste werden oft als Hauptproblem gesehen, während ADHS als
zugrundeliegende Ursache unerkannt bleibt.
Suchterkrankungen können als eigenständige Problematik erscheinen, dabei nutzen viele
Betroffene Alkohol oder andere Substanzen, um ihre Symptome zu „selbstmedizieren“.
Persönlichkeitsstörungen oder bipolare Störungen überlappen in ihren Symptomen häufig
mit ADHS.
Dies führt dazu, dass ADHS entweder gar nicht oder erst sehr spät erkannt wird. Dabei kann
gerade die gezielte Behandlung von ADHS wesentliche Fortschritte bei komorbiden
Erkrankungen ermöglichen: Wird die Aufmerksamkeitsstörung behandelt, verbessert sich
oft auch die Regulation von Emotionen, Ängsten oder Impulsivität, sodass andere psychische
Beschwerden besser in den Griff zu bekommen sind.
Die Diagnostik von ADHS im Erwachsenenalter ist anspruchsvoll, da sie verschiedene
Lebensbereiche einbeziehen und von möglichen Begleiterkrankungen abgegrenzt werden
muss. Ein standardisiertes Vorgehen ist daher essenziell.
Die Diagnostik erfolgt in mehreren Schritten und umfasst in der Regel vier bis fünf
Termine innerhalb von drei bis sechs Monaten:
1. Erstgespräch:
Detaillierte Erhebung der Leidensgeschichte, der Symptome und Beschwerden
Einsatz standardisierter Fragebögen zur Selbst- und Fremdeinschätzung
Erfassung möglicher Begleiterkrankungen
Erste Einschätzung der Notwendigkeit weiterer Untersuchungen
2. Neuropsychologische Testung:
Detaillierte Erhebung der Lebensgeschichte und möglicher Entwicklungsstörungen
Überprüfung von Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnisleistung und Impulssteuerung
Analyse von Schulzeugnissen (insbesondere aus der Grundschule) als Hinweis auf frühere ADHS-Symptome
3. Differentialdiagnostische Abklärung:
Abgrenzung von ADHS zu anderen psychischen Erkrankungen
Berücksichtigung von Fremdanamnesen (z. B. Eltern oder Partner:innen)
4. Befundbesprechung und Therapieplanung:
Gemeinsame Auswertung der Ergebnisse
Besprechung therapeutischer Möglichkeiten
Die ADHS-Diagnostik erfordert eine sorgfältige Abklärung, da viele psychische
Erkrankungen ähnliche Symptome aufweisen oder ADHS überlagern können. Erst wenn
diese Faktoren berücksichtigt sind, kann eine fundierte Diagnose gestellt werden.
Nicht jede ADHS-Diagnose erfordert eine Therapie. Viele Betroffene haben über Jahre
hinweg Strategien entwickelt, um mit ihren Herausforderungen umzugehen. Wenn jedoch
mehrere Lebensbereiche betroffen sind, kann eine gezielte Behandlung helfen, den Alltag
besser zu bewältigen.
Psychoedukation: Umfassende Aufklärung über ADHS und dessen Auswirkungen
Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie zur Verbesserung der Selbstorganisation,
Impulskontrolle und Emotionsregulation
Individuelle Bewältigungsstrategien: Entwicklung von Strukturen und Routinen für den
Alltag
Medikamentöse Therapie: Einsatz von Methylphenidat oder alternativen Medikamenten bei
Bedarf
Besonders wichtig ist, dass die Behandlung individuell angepasst wird. Manche Betroffene
profitieren stark von einer medikamentösen Therapie, während für andere vor allem
psychotherapeutische Unterstützung im Vordergrund steht.
In meiner Praxis biete ich eine spezialisierte Diagnostik und Therapie für Erwachsene mit
ADHS an. Mein Ziel ist es, Ihnen fundierte Unterstützung zu bieten – auf Basis aktueller
wissenschaftlicher Erkenntnisse und mit einem individuellen, auf Ihre Bedürfnisse
abgestimmten Ansatz.
Falls Sie sich in den beschriebenen Symptomen wiedererkennen oder bereits einen ADHS-
Verdacht haben, vereinbaren Sie gerne einen Termin für ein Erstgespräch. Gemeinsam finden
wir heraus, welche Schritte für Sie sinnvoll sind.